Wir müssen Inklusion wagen.
Wir brauchen ein faires Entgelt in den Werkstätten.
Am 18. September 2023 war es mal wieder so weit. Die 16. SPD-Werkstatträte-Konferenz fand statt.
Wichtige Themen und Diskussionen wurden von der SPD-Fraktion mit uns Werkstatträten und Frauenbeauftragten besprochen.
Das Hauptthema war in diesem Jahr selbstverständlich die Zukunft der Werkstätten,
der Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt und unsere miserable Entgeltsituation.
Die Konferenz wurde aufgenommen und kann auf dem YouTube-Kanal der SPD angeschaut werden.
Teil 1: https://www.youtube.com/watch?v=vS-IEA1Endw
Teil 2: https://www.youtube.com/watch?v=oXRSLne30LU
Als Moderator war auch in diesem Jahr wieder Takis Mehmet Ali dabei,
der Beauftragte der SPD-Bundestagsfraktion für die Belange von Menschen mit Behinderungen.
Er begrüßte anfangs Dagmar Schmidt, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion,
Kerstin Griese, die parlamentarische Staatssekretärin des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales,
sowie Jürgen Dusel, den Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen.
Während Frau Schmidt uns weiterhin ermutigte uns als Werkstatträte in der Politik einzubringen,
legte Frau Griese wert darauf zu betonen, dass nicht allein die Entgeltsituation die Zukunft der Werkstätten bestimmen solle,
sondern ebenfalls eine bessere Umsetzung des Übergangs auf den ersten Arbeitsmarkt in den Fokus genommen werden muss.
Wo sind die Hürden?
Wieso sind noch nicht so viele Menschen mit Behinderungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, wie diese es sich wünschen würden.
Eine transparente Entlohnung, sowie das Einbinden von Menschen mit schwerer Mehrfachbehinderung sei aber ein genauso wichtiges Thema.
Jürgen Dusel bestätigte, dass wir Beschäftigte in den Werkstätten von unserem Einkommen unser Leben bestreiten können müssen.
Außerdem gehören Inklusion und Demokratie zusammen.
Aus diesem Grunde meint er, sei die SPD sehr interessiert uns behinderten Menschen zu helfen.
Ab 11.00 Uhr stellte dann Dr. Dietrich Engels, die jetzt fertig gestellte Studie der ISG und Infas vor.
Hier ging es darum für die Politik einen umfangreichen Bericht an die Hand zu geben,
der unsere Sorgen und Probleme, aber auch unsere Wünsche und Bedürfnisse in den Vordergrund rücken.
Dr. Engels legte detaillierte Zahlen vor, die bestätigen, dass eine Reform der Werkstätten unbedingt sein muss, um uns Beschäftigten zu helfen. Diese Studie hat einige Jahre gedauert, um fertig gestellt zu werden, aus diesem Grunde waren einige zahlen auch nicht mehr ganz aktuell.
Er zeigte aber auch, dass wir zwischen 2019 und 2021 eine Entgelterhöhung von EINEM (1,00) Euro hatten.
Außerdem wünschen sich etwa die Hälfte der Menschen im Berufsbildungsbereich und etwa ein Drittel aus dem Arbeitsbereich, sich mal auf dem ersten Arbeitsmarkt ausprobieren zu dürfen.
Tatsächlich schaffen es aber nur 0,35 Prozent.
Also etwa einer von Hundert.
Nun stellte Herr Dr. Engels auch verschieden Möglichkeiten vor, wie ein gerechtes Entgeltsystem in der Zukunft aussehen könnte.
Unter anderem tauchten hier auch zwei Modelle mit Mindestlohn auf, sowie das Basisgeld, welches von Werkstatträte Deutschland e.V. gefordert wurde.
Auch wurden einige Möglichkeiten erwähnt, wie man den Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt fördern könne.
Das ging von Prämienzahlungen bis hin zur Ausgliederung des Berufsbildungsbereichs.
Nun konnte die Podiumsdiskussion beginnen.
Welche Anforderungen soll das Werkstattentgelt der Zukunft erfüllen?
Teilnehmer waren Lulzim Lushtaku von Werkstatträte Deutschland e.V.,
Kathrin Völker Geschäftsführerin der BAG WfbM,
Dr. Anette Tabbara, Abteilungsleiterin für Teilhabe im Bundesministerium Arbeit und Soziales,
Dr. Dietrich Engels von der ISG (Studie) und Takis Mehmet Ali, der auch hier moderierte.
Das erste Wort ergriff unser Kollege Lulzim, der klarstellte, dass wir von unserem Einkommen leben können müssen.
Außerdem solle es deutlich einfach gestaltet sein.
Frau Völker ergänzte, dass niemand von der Grundsicherung leben solle, aber auch dass die Wahlfreiheit wichtig sei, ob man auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten möchte oder weiterhin in der Werkstatt.
Frau Tabbara hingegen legte mehr Wert darauf, Schluss zu machen mit den so genannten „Sonderwelten“.
Man solle nicht zwangsläufig mit einer Behinderung in einer Werkstatt landen.
Es gab auch Fragen aus dem Publikum, die sich auf den so genannten NRW-Weg bezogen.
Dieser sei ja grundsätzlich die richtige Richtung, aber es wurden auch Bedenken geäußert, dass man bei unserer Hilfe nicht immer nur auf das Geld schauen dürfe.
Hierzu meinte Herr Dr. Engels, dass dies keinesfalls der Fall sei.
Die Empfehlung der Studie ginge nicht nach der billigsten Lösung. Er tendiere eher in Richtung Mindestlohn.
Auf die Frage, ob es eine Zwischenlösung geben könne, bis die Reform in trockenen Tüchern ist, bestand Frau Tabbara aus dem Bundesministerium darauf, dass auch eine Zwischenlösung ein neues Gesetz brauche und es deshalb konsequent ausschloss.
Wir dürfen uns also keine Hoffnung auf eine zeitnahe Erleichterung machen.
Takis Ali betonte, dass in ganz Deutschland die SPD die einzige Partei sei, die eine solche Werkstatträte-Konferenz veranstalte
und wir uns sicher sein können, dass unsere Stimmen hier ernst genommen und in der Regierung beachtet werden.
Herr Dr. Engels erwähnte noch einen wichtigen Punkt, der darauf abzielte, dass eine Lösung mit dem Mindestlohn auch eine Gleichstellung zwischen alten und neuen Bundesländern bedeuten würde.
Dieser Punkt wurde durch das Publikum positiv aufgenommen.
Nach der Mittagspause folgte dann eine zweite Podiumsrunde.
Wie kann eine Verzahnung mit dem Allgemeinen Arbeitsmarkt besser gelingen?
Gäste hier waren Elisabeth Kienel von Werkstatträte Deutschland e.V.,
Andrea Stratmann, der stellvertretenden Vorstandvorsitzenden der BAG WfbM,
Dr. Rolf Schmachtenberg, Staatssekretär des Bundesministeriums Arbeit und Soziales
und auch weiterhin Dr. Engels und Takis Mehmet Ali.
Elisabeth von Werkstatträte Deutschland begann damit, dass Gesetze allein nicht ausreichen, um einen Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu schaffen.
Inklusion braucht deutlich mehr als das, wie zum Beispiel auch ein ausreichendes Angebot an freien Arbeitsplätzen.
Frau Stratmann betonte, das Team-Work wichtig sei.
Es könne nicht alles nur von den Werkstätten allein geleistet werden.
Bildung sollte zum Beispiel viel mehr in den Vordergrund gerückt werden.
In der klassischen Industrie steht leider nicht der Mensch im Vordergrund.
Dr. Schmachtenberg betont, dass die Bildung gerade im Berufsbildungs-Bereich deutlich gestärkt werden muss, um eine Chance auf dem ersten Arbeitsmarkt zu ermöglichen.
Die Industrie darf nicht nur Nutznießer unserer Produkte sein, sondern solle auch uns Menschen mit Behinderung einstellen.
Der Rentenvorteil aus den Werkstätten solle aber trotzdem erhalten bleiben.
Frau Stratmann ergänzte, dass die Bildung nicht im Berufsbildungsbereich aufhören dürfe, sondern, dass auch danach Module angeboten werden sollen, die einen Übergang auf den ersten Arbeitsmarkt ermöglichen.
Dr. Engels ergänzte, die Ausbildung müsse richtig zugeschnitten sein.
Die Unternehmen sollen aber auch an die Hand genommen werden.
Es könne nicht sein, dass Unternehmen, die Inklusion wünschen, sich selbst „irgendwie durchwurschteln“ müssen.
Herr Dusel fügte noch hinzu, dass es grundsätzlich immer wichtig sei auf dem Arbeitsmarkt Barrierefreiheit herzustellen und nicht erst, wenn konkreter Bedarf bestünde.
Aus dem Publikum folgte zum Abschluss noch die Kritik, dass ein Außenarbeitsplatz für viele Menschen mit Behinderung nicht erreichbar sei, da es ein großes Problem zu sein scheint, einen Fahrdienst zu organisieren.
Die Gäste aus der Diskussionsrunde stimmten zu und erkannten auch hier deutlichen Verbesserungsbedarf.
Fragen aus dem Publikum zeigten auch die Besorgnis von Werkstatträten und Beschäftigten, dass über sie hinweg Dinge entschieden werden.
Entgeltsorgen wurden seit Jahren mit der Studienveröffentlichung vertröstet und vieles deutet nun eben nicht auf den jetzt folgenden großen Wurf hin.
Zum Abschluss dieser Veranstaltung trat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil auf die Bühne und fand noch ermunternde aber auch kritische Worte.
Er bedankte sich für die rege Teilnahme im Internet und die Anregungen und Fragen aus dem Publikum vor Ort.
Die Arbeit der Werkstatträte und auch der BAG WfbM sei ein wichtiger Punkt, wir müssen gemeinsam Lösungen finden.
Die Übergänge auf den Allgemeinen Arbeitsmarkt müssen deutlich mehr werden, wenn die Menschen mit Behinderung dieses wünschen.
Die Bezahlung allein dürfe nicht isoliert betrachtet werden.
Am Ende erwähnte er noch die Wichtigkeit der Demokratie im Zusammenhang mit der Inklusion.
Die Barrierefreiheit ist auch heute immer noch ein großes Problem.
Alles, was zur Spaltung der Gesellschaft und einer Exklusion führt sei für manche Parteien einfacher,
aber ernsthafte Demokratie muss Inklusion wagen.
Wir als LAG finden dies als Abschlusswort absolut richtig und freuen uns,
dass wir auch hier wieder die Möglichkeit hatten uns mit der Politik auszutauschen und gehört zu werden.
Ein Text von Ingo Plaßmeier, Delegierter der LAG WR NRW