Eindrücke von der 15. SPD-Werkstatträte-Konferenz

Am 7.November 2022 lud die SPD-Fraktion die Werkstatträte aus ganz Deutschland mittlerweile zum 15. Mal ein,
um über die Zukunft unserer Werkstätten zu diskutieren.
Es sollte um die Zukunft unserer Arbeitsstätten gehen und dieses ist unserer Meinung nach auch gut gelungen.

Der Fraktionsvorsitzende Dr. Rolf Mützenich begrüßte alle Teilnehmer und stellte ganz klar, dass Arbeit einen Wert haben muss.
Dieses bezieht sich nicht nur auf das Einkommen, sondern auch auf den Respekt gegenüber uns behinderten Menschen.
Die Redner im Laufe des Vormittags waren dann der SPD-Politiker Herr Takis Mehmet Ali,
die Parlamentarische Staatssekretärin für Arbeit und Soziales Kerstin Griese
und Jürgen Dusel als Beauftragter für die Belange von uns Menschen mit Behinderung in Deutschland.

Herr Alis Schwerpunkt ist die so genannte Personenzentrierung.
Das heißt, dass wir behinderten Menschen im Mittelpunkt der Werkstattarbeit stehen müssen. Mit unseren persönlichen Bedürfnissen und Wünschen.
Frau Griese ging auf die Entgeltstudie ein.
Die Ergebnisse werden aber erst Mitte des nächsten Jahres zur Verfügung stehen, „da sie ja auch gründlich sein soll“.
Des Weiteren erwähnte sie, dass die Initiative „Starke.Frauen.Machen“ nun ein eingetragener Verein ist
und die Arbeit der Frauenbeauftragten in Zukunft noch stärker unterstützen soll.
Herr Dusel ging auf die Corona-Pandemie, sowie den Ukraine-Krieg ein und insbesondere die Probleme, die dadurch auch bei uns Menschen mit Behinderung entstehen.
Er will Fortschritt wagen bei der Gleichberechtigung von uns Beschäftigten,
und dass wir die gleichen Rechte auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verdienen.
Er verlangt uns gegenüber Respekt von Werkstatt-Leitern und Sozialdiensten.

Nun begann die Podiumsdiskussion mit Frau Kathrin Völker, die Geschäftsführerin der BAG WfbM als Vertretung für Herrn Dr. Berg,
Petra Barth von Werkstatträte Deutschland,
Dr. Rolf Schmachtenberg, Staatssekretär beim BMAS
und aus der Vorrunde Herrn Jürgen Dusel.
Frau Barth wies auf unsere Rechte auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt hin und verlangte mehr Inklusion.
Herr Dusel verlangte eine höhere Bezahlung für unsere Arbeit in den Werkstätten, sowie eine bessere Transparenz.
Frau Völker betonte, dass es derzeit schon eine Weiterentwicklung in Bezug auf die UN-Behindertenkonvention gebe, aber verwies auch auf den Bedarf auf einen höheren Lohn für uns Beschäftigte.
Herr Dr. Schmachtenberg bezog sich auf den Zwischenbericht der Entgeltstudie und erwähnte, dass 86 Prozent von uns Beschäftigten gerne in einer Werkstatt arbeiten, aber auch, dass etwa 30 Prozent sich eine Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gut vorstellen können.
Wichtig ist ihm die Wahlmöglichkeit.
Also dass man selbst entscheiden kann, ob man in der Werkstatt oder in der freien Wirtschaft arbeiten möchte.
Gerade bei Letzterem ist die Wahlmöglichkeit extrem eingeschränkt.

Während dieser Runde gab es zahlreiche Fragen und Anregungen aus den Reihen der anwesenden Werkstatträte.
Zum Beispiel:
Wieso wird einem vieles auf Sozialleistungen angerechnet und man darf sehr wenig behalten?
Warum gibt es keine höheren Strafen für Firmen, die keine behinderten Menschen beschäftigen wollen?
Wieso gibt es oftmals nur schlechte Beratung von behinderten Menschen in Jobcentern?
Warum gibt es keine richtigen Ausbildungsberufe in Werkstätten, die einem den Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt erleichtern?
Wie kann der allgemeine Arbeitsmarkt inklusiver werden?

Auf alle diese Fragen konnte in dieser Runde natürlich keine Antworten gefunden werden, aber die Politiker hatten ein offenes Ohr und Verständnis für unsere Situation.
Man arbeite daran, die Firmen mehr in die Verantwortung zu nehmen.
Zum Beispiel durch etwa durch höhere Strafen.
Herr Dusel erwähnte, dass die Jobcenter besser beraten müssen, um uns Beschäftigte mehr Möglichkeiten zu zeigen.
Menschen müssen die Wahl haben, was sie machen möchten.
Herr Dr. Schmachtenberg sagte, dass man all die Menschen berücksichtigen muss, die nicht in einer Werkstatt arbeiten möchten.
Frau Völker betonte, dass die Werkstätten die Spezialisten sind, wenn es um die Aus- und Weiterbildung von Menschen mit Behinderung geht und dass dieses Wissen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt getragen werden muss.

Nach der Mittagspause lag dann der Schwerpunkt der Diskussion auf der Personenzentrierung.
Wir brauchen bei den Werkstätten keine sehr großen und alte Einrichtungen (wie Dinosaurier), wo eine große Menge von Menschen mit Behinderungen leben und arbeiten, wie es in der Vergangenheit oft die Regel war.
Wir müssen spezieller werden, damit sich die Werkstätten auf uns Menschen konzentrieren und unsere individuellen Bedürfnisse erkennen und fördern können.
In dieser Runde sprachen Lulzim Lushtaku, der jetzt neue Vorsitzende von Werkstatträte Deutschland,
Frau Dr. Anette Tabbara, Abteilungsleiterin für Teilhabe im BMAS,
Professor Dr. Felix Welti, Rechtswissenschaftler an der Universität Kassel
und aus der Vorrunde Frau Kathrin Völker.
Moderiert wurde von Takis Mehmet Ali.
Herr Ali hat früher selbst in einer Werkstatt für behinderte Menschen gearbeitet.
Er hat selbst erlebt, dass er früher ausgebremst wurde, wenn es um die Förderung von uns Menschen mit Behinderung geht.
Dieses Problem haben auch viele andere Werkstätten, da aufgrund der fehlenden finanziellen Mittel sehr schwer ausreichend qualifiziertes Personal beschäftigt werden kann.
Auch der Werkstattrat Lulzim Lushtaku bestätigte, dass in der Theorie alles gut ist, aber es zur Umsetzung an Mitarbeitern fehle.
Es gebe zu wenig Strukturen und zu wenig Geld.
Man müsse nicht nur reden, sondern auch Dinge in die Tat umsetzen.
Professor Welti betonte, dass wir bei den Gesetzen mehr Modernisierung brauchen.
In Zukunft darf es keine Rolle spielen, ob man in der Werkstatt arbeitet oder in der freien Wirtschaft.
Nur dann reden wir von Personenzentrierung und Inklusion.
Werkstattrat Max Haberland aus dem Publikum warf ein, dass die Kostenträger manchmal aus seiner Sicht einer Personenzentrierung entgegenstehen, weil diese mehr Geld kostet.
Herrn Ali ist dieses Problem bekannt.
Ein weiterer Punkt ist der so genannte Personalschlüssel, also die Zahl der Gruppenleiter oder unterstützenden Mitarbeiter in Bezug auf die Beschäftigten.
Frau Tabbara bestätigt, dass der Personalschlüssel zwar nicht festgeschrieben ist, aber dass es bei einem höheren Schlüssel es Probleme mit der Finanzierung gibt.

Ins Gespräch wurde dann die Möglichkeit gebracht, kleinere Werkstätten ins Leben zu rufen,
die sich dann besser auf spezielle Erkrankungen konzentrieren sollten.
Herr Ali erwähnt, dass in der Regel Werkstätten mindestens 120 behinderte Menschen beschäftigten sollten.
Aber er sieht hier auch das Problem, dass das einer Spezialisierung im Wege steht.
Frau Völker betont, dass es auch jetzt schon kleinere Werkstätten gibt, da der Bedarf einfach da ist.
Werkstattrat Herr Lushtaku bekräftigt ganz klar, dass die Werkstätten, die es heute gibt nun einmal, schon da sind.
„Wir können das Rad nicht neu erfinden.“
Man könne nicht alles abreißen und besser wieder aufbauen.
Es ist wichtig, in den bestehenden Werkstätten aus den Strukturen einfach noch mehr herauszuholen.
Der Personalschlüssel sei dafür ein sehr gutes Beispiel.
Es braucht auch mehr Transparenz und ein anderes Bewusstsein muss in den Werkstätten Einzug halten.
Professor Welti berichtet, dass in der Vergangenheit die Menschen an die Werkstätten angepasst wurden
und nicht der Mensch im Mittelpunkt stand.
So nach dem Motto: „Wenn´s bei dem einen passt, dann wird´s auch bei dem anderen passen.“
Außerdem seien wenige große Werkstätten einfach billiger als viele kleine.
Er kritisiert, dass dieses auf keinen Fall im Sinne der betroffenen Menschen ist.
Frau Tabbara entgegnet, dass große Werkstätten auch mehr Möglichkeiten bei der Auswahl der Arbeit bieten könnten.
Aber auch sie ist der Meinung, dass die großen Werkstätten ein Auslaufmodell sind und kleinere Werkstätten die Zukunft sein werden.

Auch in dieser Runde gab es wieder zahlreiche Meldungen aus dem Publikum.
Politiker sollten doch auch einmal in Werkstätten arbeiten, um zu sehen, wie es in der Praxis aussieht.
Herr Ali antwortete, dass er tatsächlich bei der „Aktion Schichtwechsel“ 2023 mitmacht, um sich wieder ein Bild der Werkstätten zu schaffen.

Ein weiterer Punkt sind die Fahrdienste, die in der Regel immer nur die nächstgelegene Werkstatt anfahren und somit die Auswahl von verschiedenen Werkstätten oft unmöglich machen.
Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ist es dann noch schwieriger überhaupt einen Fahrdienst zu bekommen.
Professor Welti bestätigt, dass es immer mindestens zwei Optionen geben muss, um frei wählen zu können.

Das mangelnde Personal wird auch im Publikum als Problem wahrgenommen.
Herr Ali findet es sehr nervig, dass immer von Fachkräftemangel in der freien Wirtschaft und Krankenhäusern gesprochen wird.
Es wird aber viel zu selten öffentlich über den Fachkräftemangel in der Behindertenhilfe und den Werkstätten gesprochen.

Zuverdienst-Grenzen werden ebenfalls kritisiert und es wird darauf verwiesen,
dass dieses nicht nur bei der Reform ab 2024 berücksichtigt wird,
sondern dass es auch im Zuge des Bürgergeldes Erwähnung finden soll.
Herr Professor Welti und Frau Tabbara weisen aber auch darauf hin,
dass es einen Unterschied zwischen dem Bürgergeld, welches Hartz IV ablösen soll,
und der Aufstockung bei der Grundsicherung nach SGB 12 gibt.
Aus ihrer Sicht soll das in einem weiteren Schritt im kommenden Jahr geregelt werden.

Zum Abschluss wirft Herr Ali noch die Frage an die Werkstatträte ein,
ob der Berufsbildungsbereich von zwei auf drei Jahre erhöht werden sollte.
Denn das würde den Beschäftigten andere Möglichkeiten einräumen.
Dies wurde von den Anwesenden unterschiedlich beurteilt.

Alles in allem war diese Werkstatträte-Konferenz ein sehr unterhaltsames und auch informatives Ereignis.
Es gab viele Fragen, viele Ideen und auch ein paar Antworten.

Wir von der LAG WR NRW finden es auf jeden Fall eine gute Sache, dass die Politik, in diesem Falle die SPD,
ein offenes Ohr für unsere Bedürfnisse hat und uns das Gefühl gibt,
dass unsere Sorgen und Probleme nicht ungehört verhallen.

Geschrieben von: Ingo Plaßmeier, Delegierter der LAG Werkstatträte NRW